Grußwort
von Herrn Prof. Georg Quander, Kulturdezernent der Stadt Köln
by Prof. Georg Quander, Head of the Cutural Department of the City of Cologne/Germany

zur Ausstellung "Rheingold - Shinkansen"
von Siglinde Kallnbach

Stadt Köln
Kulturdezernat
Richartzstr. 2 - 4
50667 Köln

Köln, den 5.9.2005

Prof. Georg Quander, Kulturdezernent der Stadt Köln

 

Deutschland/ NRW in Japan 2005/ 2006


Unter dieser Überschrift präsentiert sich Deutschland/ NRW im Jahr 2005 und 2006 in Japan. Neben wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Projekten finden umfangreiche kulturelle Begegnungen statt, die den kulturellen Dialog zwischen den beiden Ländern fortsetzen und intensivieren.

Die Ausstellung von Siglinde Kallnbach „Rheingold-Shinkansen“ stellt Deutschland nicht nur als Kulturnation vor, sondern auch als ein Land der Kreativität und der Bildenden Kunst. Es freut mich, dass die Kölner Künstlerin Siglinde Kallnbach in diesem Rahmen einen Ausschnitt ihres künstlerischen Schaffens in Japan präsentieren kann. Dies scheint folgerichtig und nur konsequent, denn immer wieder war und ist es Japan, wohin die Künstlerin Siglinde Kallnbach ihr künstlerisches Wirken ausrichtet.
Erste Verbindungen nach Japan entstanden Anfang der 80ger Jahre. Eine jüngst zurückliegende Ausstellung im Jahr 2000 wurde im Japanischen Kulturinstitut in Köln gemeinsam mit dem japanischen Künstler Shozo Shimamoto im Rahmen des Kulturaustausches „Japan in Deutschland 2000“ realisiert. Es folgten zwei Jahre darauf im Jahr 2002 ein dreimonatiger Arbeitsaufenthalt in Nordjapan im Rahmen eines Stipendiums. Dort kam Siglinde Kallnbach zum ersten Mal mit Nebuta * in Berührung. In ihrer dortigen Installation „Shrines“, in der unter anderem Photographien, 32 großformatige Zeichnungen und eine Videoarbeit präsentiert wurden, floss diese Berührung bereits mit ein.

Der Wunsch, dem Schwerpunkt des mehr als dreißig Jahre währenden intermedialen künstlerischen Schaffens von Siglinde Kallnbach auf die Spur zu kommen, führt hin zu einem ganz zentralen Ausdrucksmedium ihrer Arbeit.
In ungezählten Kunst-Aktionen machte sie ihren eigenen Körper zum Motor und Medium zugleich, schonungslos diente er ihr als Werkzeug für einschneidende und kompromisslose Life-Performances. Einige spektakulär provokante Kunstaktionen, mit denen sie Anfang der 80ziger Jahre Tabubrüche riskierte, riefen landesweite Skandale hervor und entfachten heftige Diskussionen in den Medien über die Grenzen der Kunst und über das, was die Kunst darf und was nicht. Auch wenn damals einige Galerien der Mut verließ, die Künstlerin Siglinde Kallnbach weiterhin gegen diese Widerstände auszustellen, ließ Siglinde Kallnbach sich nicht aufhalten, folgte ihrer Gangart und die führte sie unbeirrbar auf das Parkett der nationalen und internationalen Kunstszene.

Rollt man eine ihrer jüngeren Arbeiten aus dem 1999/ 2001 auf, folgt der Betrachter einer ganz besonderen Spur; „Wunschspur-Wishingtrack“ führt zu persönlichen Äußerungen in Wort und Bild von Menschen des 21. Jahrhunderts, die in ungezählten Ländern dieser Welt in zweieinhalb Jahren von der Künstlerin aufgenommen und zusammengetragen wurden. Die Texte und Zeichnungen erfuhren eine computertechnische Verarbeitung, bei der sie codiert und auf eine 461 Meter lange „Wunschspur“ übertragen wurden. In diese abstrakte Darstellung transformiert, entrollte die Künstlerin die Spuren von über 4000 Wünschen in den Neujahrnächten im Jahr 1999 und 2000 in einem Tunnel unterhalb des Flussbetts des Kölner Rheins.

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„Wunschspur-Wishingtrack“ visualisierte zentrale Themen der menschlichen Existenz unserer Zeit und präsentierte die Universalität des Wünschens und die Allgemeinheit des Wunsches nach Gesundheit, Frieden und persönlichem Glück.

Siglinde Kallnbach geht es in ihrer künstlerischen Arbeit vielfach um die Kräfte der Hoffnung, sie will Ohnmacht entgegenwirken und versteht ihre Kunst auch durchaus als ein politisches Wirken.
Die Arbeitsweise und auch die Sprache von Siglinde Kallnbach hat im Verlauf der Jahre ihren Klang geändert. Waren die Formen ihres künstlerischen Ausdrucks in früheren Jahren lauter, so findet Kallnbach heute leisere Töne, die gleichwohl kraftvoll nachhallen und an Intensität nicht verloren haben.

Der Titel der aktuellen Ausstellung von „Rheingold-Shinkansen“ in der Kita Gallery von Yamatokooriyama-City/ Nara-Ken nimmt Bezug auf die Namen legendärer Eisenbahnzüge in Deutschland wie Japan und ist damit ein Verweis auf die Schnelllebigkeit unserer Zeit als Merkmal der Moderne.
Die Photographien bieten eine Gegenüberstellung von städtischen Situationen, von Alltagsmomenten und Festlichkeiten, von moderner Architektur und Landschaften im heutigen Japan und in Deutschland. Neben Zeugnissen des modernen, von Traditionen befreiten Lebens trifft der Betrachter auch auf Anzeichen alltags-kultureller Konstanten: Es sind die Photographien vom Nebuta-Festival * und Bilder des Kölner Karnevals.

Im Kontext des Werkes von Siglinde Kallnbach scheint in diesen Photographien erneut etwas von dem auf, was ihre Arbeit Wunschspur angetrieben hat, was ihre Kunst prägt und bestimmt: Kräfte zu mobilisieren, das Leben als eine einmalige Chance der Gestaltung zu begreifen und in ein Fest zu überführen.

Bilder vom Feiern, Photographien von öffentlich zelebrierter, konzentrierter, ritualisierter Festlichkeit, symbolisieren hier gleichsam den Wunsch, kulturelle Fesseln zu lockern und Konventionen zu verlassen, sie verweisen auf die Potentiale des Feierns und auf die Kraft der Kunst, in neue Räume vorzudringen und in diese hineinzuführen: Das Leben neu wünschen können, Altes abstreifen und vergessen, ein anderer werden, durch das Feuer laufen und auf der gegenüberliegenden Seite als ein Neuer beginnen.

Professor Georg Quander
Kulturdezernent der Stadt Köln


* Bei diesem in ganz Japan bekannten Fest ziehen riesige Figuren durch die Straßen, begleitet von unzähligen Tänzern. Die Umzugswagen sind wundervoll bemalt und von innen beleuchtet.